Das renk. Magazin bringt Farbe in die Medienlandschaft
Ein Bild in einer Zeitung oder Szenen in einer Nachrichtensendung: Die klassischen Medienformate haben großen Einfluss darauf, wie kulturelle Minderheiten in Deutschland wahrgenommen werden. Aber wie werden die Geschichten in diesen Medien erzählt? Und vor allem: Von wem werden sie erzählt? Das renk. Magazin bringt Farbe in die bisweilen homogene Medienlandschaft. Redakteur Tarik Kemper gibt in diesem Interview Einblicke in seine Arbeit bei dem deutsch-türkischen Magazin für Kunst und Kultur.
Eines lässt sich faktisch festhalten: Mit 17 Millionen Menschen haben über 20 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner Deutschlands einen Migrationshintergrund. Mit anderen Worten: Deutschland ist kulturell vielfältig. Doch diese Vielfalt spiegelt sich oft nicht in den Redaktionsräumen wider. Schätzungen gehen von vier bis fünf Prozent von Journalistinnen und Journalisten mit Migrationshintergrund in Redaktionen aus (vgl. Rainer Geißler: Zur Rolle der Medien in der Einwanderungsgesellschaft, Beitrag von 2010).
Doch es gibt auch andere Beispiele und Projekte, die sich längst in der Medienlandschaft behauptet und diese bereichert haben. So wie das renk. Magazin. Das Magazin für „deutsch-türkische Kunst und Kultur“, hat ein besonderes Augenmerk auf die Szene der deutsch-türkischen Migrantinnen und Migranten und erzählt ihre eigenen Geschichten. Ich habe mit Tarik Kemper gesprochen, der schon seit langer Zeit als Redakteur mit dabei ist.
Was ist das renk. Magazin?
Tarik Kemper:
Das renk. Magazin ist das erste deutsch-türkische Magazin, das sich mit Kultur-, Kunst- und Gesellschaftsthemen im deutsch-türkischen Kontext beschäftigt. Als Bachelor-Arbeit unserer Gründerin Melisa Karakuş begann das Projekt 2013 und fand sehr schnell so viel Zuspruch, dass es sich zu einem stetig wachsenden Online-Magazin mit jeder Menge spannenden Beiträgen entwickelte.
renk. hat zunächst vor allem deutsch-türkische Kulturschaffende portraitiert, um zu zeigen, dass oft als Ausnahme wahrgenommene Personen eben gar keine Ausnahmen sind. Inzwischen decken wir auch unterschiedlichste Kulturthemen ab, die sich zwischen Deutschland und der Türkei abspielen. Denn renk. ist Türkisch und bedeutet Farbe – und genau deswegen möchten wir die unterschiedlichsten Farben der Gesellschaft aufzeigen.
Was machst du bei renk. ?
Tarik Kemper:
Als Mitglied der Kernredaktion und leitender Redakteur im Bereich Events und Community mache ich ganz unterschiedliche Dinge. Als Autor schreibe ich Artikel zu verschiedenen Themen im Bereich Kultur und Gesellschaft. Zudem leite ich das Event-Ressort und suche für unseren Event-Kalender die interessantesten Kulturveranstaltungen mit türkischem Bezug im deutschsprachigen Raum heraus. Das können Ausstellungen, Theaterstücke, Konzerte, Lesungen oder ähnliche Veranstaltungen sein. Ein großer Teil unserer Leserschaft folgt uns auch in den sozialen Medien, auf denen ich unsere Kanäle mitbetreue. Auch versuche ich neue Autorinnen und Autoren für unser Magazin zu rekrutieren und entwickele unser Projekt inhaltlich mit.
Was ist das Besondere an renk. ?
Tarik Kemper:
Das Besondere an renk. ist zunächst einmal, dass es ein noch in überwiegend ehrenamtlicher Arbeit entstehendes Projekt ist. Das überrascht auch viele unser Leserinnen und Leser oft.
Dabei sprechen wir Themen an, die zuvor oft wenig Beachtung gefunden haben. Und auch unsere Redaktion besteht aus einer besonderen Mischung unterschiedlicher Gesichter. Viele von uns haben natürlich einen Bezug zur Türkei durch die Migrationsgeschichte ihrer Eltern oder der eigenen. Andere Redaktionsmitglieder haben aber auch einen ganz anderen Bezug. So hat eine Redakteurin ihren Partner in der Türkei kennengelernt und möchte sich den Bezug zur türkischen Kultur aufrechterhalten. Andere wiederum wünschen sich mehr persönlichen Kontakt zu den türkischen Communities in Deutschland und kamen dadurch zu renk. Besonders ist auch der hohe gestalterische Anspruch an unseren Auftritt, der unserer jungen und bunten, also von Vielfalt geprägten Perspektive gerecht werden soll.
Warum ist es deiner Meinung nach wichtig, ein deutsch-türkisches Magazin zu haben?
Tarik Kemper:
Wir sehen uns als Medium, das die verschiedensten Facetten des Zusammenlebens in Deutschland aufzeigen will, die oft leider zu kurz kommen oder einseitig dargestellt werden. Im gesellschaftlichen Diskurs dominieren aber häufig Themen wie Integration, der Islam oder die Politik in der Türkei. Wir distanzieren uns nicht von diesen Themen, möchten aber auch andere spannende und positive Themen in den Fokus rücken, die für unsere Generation mindestens genauso wichtig sind. Dafür präsentieren wir die vielfältigsten Perspektiven Türkeistämmiger oder anderer Menschen, die einen Bezug zu den Kulturen der Türkei haben. Dabei ist unsere Leserschaft alles andere als eine homogene Gruppe und besteht aus Türkeistämmigen, aber genauso auch aus anderen interessierten Leserinnen und Lesern.
Wie arbeitet ihr in der Redaktion?
Tarik Kemper:
Der Großteil der Arbeit läuft online zusammen. Zwar befinden sich die meisten von uns in Berlin, aber auch in Köln, Istanbul und anderen Orten haben wir Autorinnen und Autoren. Ein Jahr lang habe ich auch mal aus Istanbul berichtet. Mit renk. haben wir bereits Stipendien erhalten und saßen in verschiedenen Co-Working Spaces, sind aktuell aber ohne Büro. Trotzdem gibt es regelmäßige Redaktionstreffen. Bei der Setzung unserer Themen suchen wir uns welche, die zuvor noch zu kurz kamen. Das können zeitlose aber auch sehr aktuelle Themen sein. Wir gehen danach, was unsere Leserschaft gerade am meisten interessieren würde.
Was bedeutet es für dich persönlich so ein Magazin zu haben und dafür zu arbeiten?
Tarik Kemper:
Vom journalistischen Standpunkt ist renk. ein außergewöhnliches und spannendes Medium, das eine Lücke schließt. Ich habe dadurch auch schon sehr spannende Persönlichkeiten kennengelernt. Für mich ist renk. aber auch eine wichtige Möglichkeit, um einen positiven Beitrag zum Zusammenleben in einer von Migration geprägten Gesellschaft zu leisten, damit Klischees aufzulösen und mich dabei auch mit meiner eigenen Identität auseinanderzusetzen. Das oft überwältigende Feedback der Leserschaft und Fans oder unsere Preise zeigen, dass sich die Arbeit in vielerlei Weise auszahlt.
Was waren bisher die besten und die schlimmsten Feedbacks aus eurer Leserschaft?
Tarik Kemper:
Wenn eine Leserin oder ein Leser uns schreibt und meint: „Ihr habt mit dem letzten Artikel genau mein Lebensgefühl in Worte gefasst. Vielen Dank dafür!“ Mir wurde auch schon gesagt, dass renk. aufzeigt, dass es Identitäten gibt, die sich viele so noch nicht vorstellen konnten: modern, selbstbewusst und deutsch-türkisch – und zwar ohne die oft propagierte Identitätskrise oder Zerrissenheit zwischen Kulturen.
Mit Kritik versuchen wir konstruktiv umzugehen. Teilweise wurde versucht uns in bestimmte Schubladen zu stecken und uns in den sozialen Medien vorgeworfen, dass wir bestimmten politischen Bewegungen nahestehen würden. Interessanter Weise kam dieser Vorwurf mittlerweile aber bereits aus jeder Richtung und beantwortet sich damit schon von selbst. Denn renk. steht für Pluralismus und Toleranz und versucht jeden anzusprechen, der unsere Themen spannend findet. Auf diese Vorwürfe reagierten wir auch mit einem Statement, das man bei uns nachlesen kann.
Was bedeutet der Punkt hinter dem Wort renk. ?
Tarik Kemper:
Ich würde sagen der Punkt lässt Raum für Interpretation und kann vieles bedeuten. Für mich symbolisiert er den gemeinsamen Nenner, also den Punkt an dem wir zusammenkommen. Aber wenn du es ganz genau wissen willst, musst du unsere Designer fragen.
Tarik Kemper hat an der Europa-Universität Viadrina und Istanbul Bilgi Universität studiert und vor Kurzem seinen Master in European Studies abgeschlossen. Aktuell arbeitet er als Redakteur beim renk. Magazin.