Durch mehr Dialog und Mitgefühl zu einem gelingenden Zusammenleben
Die aktuelle Studie „Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft“ zeigt, dass das Interesse an Gleichbehandlung und die Unterstützung für Antidiskriminierungspolitik in der Gesellschaft gestiegen sind. Zugleich weisen die Ergebnisse aber auch auf weiter bestehende Diskriminierung hin. Mehr Menschen als noch im Jahr 2008 geben an, dass sie Diskriminierung aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, aus rassistischen Gründen oder aufgrund ihrer Religion erleben. Besonders Menschen mit Migrationshintergrund und auffällig häufig vor allem auch die muslimischen Befragten erleben diese Arten der Diskriminierung besonders oft. Während es sich bei Letzteren zwar um eine eher kleine Teilstichprobe handelt, ist eine entsprechende Tendenz doch deutlich zu erkennen. Dies weist einmal mehr auf die Frage hin, wie weit die deutsche Einwanderungsgesellschaft mit der Aussage des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff „Der Islam gehört zu Deutschland“ wirklich ist. Inwieweit werden die Muslim:innen als zugehörig zu Deutschland wahrgenommen und akzeptiert?
Muslim:innen in der Medienberichterstattung
Die Silvester-Krawalle während des Jahreswechsels wurden in der Medienberichterstattung stark mit den Themen Migration und Integration in Verbindung gebracht und in der öffentlichen Debatte diskutiert. Obwohl sich bald herausstellte, dass die Mehrzahl an Verhaftungen deutsche Staatsbürger betraf, drehten sich die Schlagzeilen vor allem um (vermeintliche) „Migranten“. Erneut standen Muslim:innen und Menschen mit Migrationshintergrund – oftmals beschränkt auf türkisch- oder arabischstämmige Menschen – unter Generalverdacht. Muslim:innen mit oder ohne deutsche Staatsbürgerschaft wurden fehlende Integration, Gewaltbereitschaft und fehlende rechtsstaatliche oder demokratische Traditionen vorgeworfen. Einmal mehr mussten die Muslim:innen und Menschen mit Migrationshintergrund sich erklären, verteidigen und von den Vorfällen distanzieren.
Eine Medienanalyse des Mediendienst Integration hat gezeigt, dass die Herkunft von ausländischen Tatverdächtigen im Vergleich zu deutschen Tatverdächtigen in der Nachrichtenberichterstattung 25-mal häufiger erwähnt wird als es ihrem statistischen Anteil entspricht. Menschen mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund und Geflüchtete werden zudem oftmals mit dem Islam thematisch verknüpft und häufig als kulturelles „Anderes“ präsentiert. Muslim:innen werden in den deutschen Massenmedien immer wieder als problematische, andersartige, bedrohliche und homogene Gruppe dargestellt. Auch muslimische Frauen werden stereotypisiert und als kulturell fremd oder rückschrittlich dargestellt. Wenn Muslim:innen von Seiten der Medien als fremd dargestellt werden oder sogar unter Generalverdacht stehen, kann dies zur Pauschalisierung einer vielfältigen Gruppe von Personen führen. Daraus können Feindbilder erwachsen und Vorurteile genährt werden.
„Racial Profiling“ seitens der Polizei
Eine repräsentative Studienanalyse der Deutschen Hochschule der Polizei kommt zu dem Ergebnis, dass abwertende Haltungen gegenüber Muslim:innen unter Polizist:innen häufiger verbreitet sind als in der Gesamtbevölkerung. Fast jede fünfte Polizeikraft berichtet von Überfremdungsgefühlen angesichts der Muslim:innen in Deutschland, und 40 Prozent der Befragten ordnen sich bei der Frage, ob die muslimische Kultur gut nach Deutschland passe, in die Grauzone, indem sie mit „weiß nicht“ antworten. Aufgrund negativer oder ambivalenter Haltungen der Polizist:innen können Muslim:innen Diskriminierung von Seiten der Polizei erleben. Muslim:innen berichten häufiger, ethnische, rassistische und religiöse Diskriminierung zu erleben als christliche Befragte oder Konfessionslose. Wenn Muslim:innen diese Art der Diskriminierung von Seiten der Polizeikräfte erleben, kann dies zu einem verstärkten Gefühl der Ausgrenzung und Demütigung führen. Die Bedrohungswahrnehmung bezüglich Muslim:innen findet ihren Ausdruck oftmals durch das illegale „Racial Profiling“ seitens der Polizei. Dabei verdächtigen Polizist:innen Menschen lediglich aufgrund ihres Aussehens – diese werden dann ohne konkreten Anlass angehalten, befragt und durchsucht.
Unterschiedliches Verständnis von Diskriminierung durch subjektive Erfahrungen
Im Rahmen der Bevölkerungsbefragung des Sinus-Instituts, die der Studie „Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft“ zugrunde liegt, wurde auch das Verständnis von Diskriminierung der Bevölkerung anhand von Beispielsituationen untersucht. Hierbei wird deutlich, dass sich das Verständnis von Diskriminierung zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen unterscheidet. Muslim:innen sehen es im Vergleich zu den evangelischen und katholischen Befragten sowie den Konfessionslosen deutlich häufiger definitiv als Diskriminierung, „[w]enn die Medien nach einem Terroranschlag als erstes Muslime verdächtigen“. Ferner handelt es sich nach Angaben fast aller muslimischen Befragten definitiv oder eher um Diskriminierung, „[w]enn die Polizei bei mutmaßlich arabischstämmigen Männern überdurchschnittlich oft Personenkontrollen durchführt“. Diese Ansicht teilt zwar auch eine Mehrheit der evangelischen und katholischen Befragten sowie der Konfessionslosen, doch bei ihnen sind es bei weitem nicht so viele wie bei den muslimischen Befragten. Die unterschiedlichen Einschätzungen der Situationen können mit den subjektiven Erfahrungen in Verbindung gebracht werden: Muslim:innen erleben die geschilderten Situationen häufiger selbst, während die christlichen und nichtreligiösen Befragten hiervon in der Regel nicht persönlich betroffen sind.
Besondere Verantwortung für die Gleichbehandlung von Muslim:innen bei den Medien und der Polizei
Als Hauptverantwortliche, die sich um die Gleichbehandlung von benachteiligten Bevölkerungsgruppen in Deutschland kümmern sollten, werden von den Befragten vor allem Politiker:innen sowie Ämter und Behörden, aber auch Polizei und Gerichte, die Medien sowie die Wirtschaft bzw. Unternehmen genannt. Interessant ist hierbei, dass die Polizei und Gerichte sowie die Medien von den muslimischen Befragten vergleichsweise häufiger genannt werden als von den Befragten anderer bzw. ohne Religionszugehörigkeit. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man sich die unausgewogene Medienberichterstattung zu Muslim:innen und das „Racial Profiling“ seitens der Polizei in Bezug auf muslimisch wahrgenommene Personen vor Augen führt. Eine faire Medienberichterstattung kann einen Beitrag dazu leisten, der Diskriminierung von Muslim:innen entgegenzuwirken. Dies kann durch eine ausgeglichene und vielfältige Berichterstattung, in der Wissen zum Islam und zu muslimischen Kulturen gefördert wird und Muslim:innen in Deutschland in ihrer Vielfalt repräsentiert werden, erfolgen. Zudem ist es ebenfalls von Bedeutung, die Diversität im Medienbereich durch eine vielfaltsorientierte Personalstrategie zu fördern. Dadurch erfahren Muslim:innen und Menschen mit Migrationshintergrund Teilhabe und sie erhalten die Möglichkeit mitzugestalten.
Dialog und Mitgefühl für ein besseres Zusammenleben
Dialog und Austausch können dabei helfen, Vorurteile abzubauen. Eine bereits bestehende Gelegenheit hierfür ist der Tag der offenen Moschee am 3. Oktober. Weitere Orte des Aufeinandertreffens sind nötig, um durch Kontakt, Wissensförderung und Austausch Vorurteile abzubauen und dadurch Diskriminierung vorzubeugen. Zudem ist die Wertschätzung der muslimischen Bevölkerung in Deutschland von großer Bedeutung. Das Gefühl der Ausgrenzung und das Gefühl, nicht dazuzugehören, welches bei Muslim:innen durch erlebte Diskriminierung genährt wird, kann durch Akzeptanz und Teilhabe einem Zugehörigkeitsgefühl weichen. So kann etwa der Islamunterricht an Schulen als ein Beispiel für die Normalität von Vielfalt und als Signal für Zugehörigkeit gewertet werden.
Nach Einschätzung einer Mehrheit der Befragten der Studie „Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft“ hat ethnische, rassistische und religiöse Diskriminierung in den letzten Jahren zugenommen und wird auch weiterhin zunehmen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Diskriminierung entgegenzuwirken. Die Autorin Hadija Haruna-Oelker spricht in ihrem Buch „Die Schönheit der Differenz“ davon, dass wir alle etwas von den Perspektiven anderer in uns tragen, voneinander lernen können und einander zuhören sollten. Für ein friedvolles Zusammenleben in einer diversen Gesellschaft sei es von Bedeutung, viel Verständnis und „Mit-Gefühl“ für andere Lebensrealitäten und -umstände aufzubringen. Durch die Akzeptanz und Wertschätzung aller Mitglieder der Gesellschaft kann die Qualität des Zusammenlebens in vielfältigen Gesellschaft gesteigert werden. Ein gelingendes Zusammenleben ist nur dann möglich, wenn mit der Pluralität der Kulturen und Religionen umgegangen wird. Durch das Abbauen vorherrschender Vorurteile kann Diskriminierung vorgebeugt werden, sodass jedes Mitglied der Gesellschaft eine faire Chance erhält und seine Taten und Gedanken für sich selbst sprechen lassen kann, ohne unter Generalverdacht zu stehen.