Nashville – Stadt der Willkommenskultur

Was New York für die Künste und Los Angeles für den Film, ist Nashville für die Country Musik: der Ort, an dem man zum Star wird. Auch wenn die Lieder über Trucks, Bier, Liebe, Herzschmerz und Verlassenwerden oftmals das einfache Leben im Amerika des Mittleren Westens besingen, so verkörpert die Country-Kultur in Nashville doch auch die Idee des sozialen Aufstiegs durch Glück und harte Arbeit. Hunderte Songs haben diesem Mythos der Stadt gehuldigt.

„Roll into town, step off the bus /
Shake off the ‘where you came from’ dust /
Grab your guitar, walk down the street /
Sign says Nashville, Tennessee.“

– Jason Aldean, „Crazy Town“

 

„I’ve been chasin’ the big wheels all over Nashville /
Waitin’ for my big break to come /
Livin’ on ketchup soup, homemade crackers and Kool-Aid /
I’ll be a star tomorrow, but today I’m a Nashville bum.“

– Waylon Jennings, „Nashville Bum“

 

Viele Tausende Musikerinnen und Musiker haben sich über die Jahrzehnte in den Bus gesetzt, um als Nobody in der Stadt zu landen und sich entlang der Music Row, dem Viertel mit den Studios, Plattenfirmen und Musikgeschäften, zu Glück und Ruhm zu arbeiten. Vielleicht liegt an dieser Variante des amerikanischen Glückssucher-Traums, vorgelebt von Stars wie Hank Williams, Johnny Cash, Tammy Wynette oder Dolly Parton, dass die Initiative „Welcoming America“, ein landesweites Netzwerk von Städten und Organisationen, in Nashville seinen Anfang nahm.

 

Willkommensgruß für Zuwanderer

Im Jahr 2005 startete die nur zwei Jahre zuvor gegründete Tennessee Immigrant and Refugee Rights Coalition (TIRRC) in Nashville die Initiative „Welcoming Tennessee“ (WTI). Grund war der rasante Anstieg der einwanderungsfeindlichen Stimmung und Rhetorik im Staat. Zunächst wurden nur 50 Plakate mit positiven Botschaften enthüllt. Doch seitdem hat die WTI immer weiter dafür gekämpft, Vorurteile über Einwanderer und Einwanderung zu zerstreuen. 2009 dehnte sich die Initiative auf die ganzen USA aus und hat heute über 80 US-Städte als Mitglieder, darunter New York City, Chicago, Denver, Houston, Seattle und San Francisco.

 

Boomtown Nashville

Nashville gehört zu den am schnellsten wachsenden Städten in den USA, vor allem aufgrund von Zuwanderung. Der Bundesstaat Tennessee hatte zwischen 1990 und 2000 das sechsthöchste Zuwanderungswachstum innerhalb der USA und das vierthöchste von Latinos. Im Jahr 2012 verzeichnete Nashville die am schnellsten zunehmende Einwanderungsbevölkerung der USA. Setzt sich der gegenwärtige Trend fort, werden 2040 etwa 2,5 Millionen Menschen in Nashville und Umgebung leben (heute: rund 680 000 in der Stadt und 1,8 Millionen im Großraum). Zudem wird die Stadt eine „Majority-Minority City“ sein, in der keine Bevölkerungsgruppe eine Mehrheit darstellt.

 

Kein „English only“

Ein Wendepunkt in der Geschichte der Stadt war die Auseinandersetzung über die Idee, Englisch zur einzigen offiziellen Sprache der Stadt zu machen. Das dazugehörige Referendum wurde 2009 von der Bevölkerung abgelehnt. Ein großer Teil dieses Erfolgs wird den Aktivitäten der WTI zugesprochen und weiteren lokalen Organisationen, wie der Conexión Américas. Auch der damalige Bürgermeister führte eine Koalition von Wirtschaftsführern, Gewerkschaften, kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie Bildungseinrichtungen gegen die Einführung der English-Only-Politik an.

 

Stakeholder sind beteiligt

Nach dem Votum engagierte sich die Stadt noch mehr für die Neuankömmlinge. So besitzt Nashville heute ein eigenes Büro, das sich der Integration von Einwanderern widmet, mit dem ausdrücklichen Ziel, Einwanderern den Zugang zu Wirtschafts- und Bildungsmöglichkeiten zu erleichtern. Außerdem setzte die Stadtverwaltung den New American Advisory Council ein: Stakeholder aus Migranten- und Flüchtlingsorganisationen tauschen sich jeden Monat mit der Stadtverwaltung über die Bedarfe der „New Americans“ aus. Sie ergründen konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Partizipationsmöglichkeiten neu Zugewanderter sowie zur Stärkung des Zusammenhalts der Bürgerinnen und Bürger Nashvilles.

 

Vorbild für die USA

Bei einem Besuch im Dezember 2014 nannte der damalige US-Präsident Barack Obama das Willkommensklima in Nashville ein Modell für das gesamte Land. Und Nashville ist stolz auf seine Willkommenskultur. „Wir sind die freundlichste, wärmste und einladendste Stadt Amerikas. Wir sind vielfältig. Wir sind fortschrittlich. Aber wir sind auch pro Wirtschaft“, formulierte Nashvilles Bürgermeisterin Megan Berry vor einem Jahr gegenüber einem Journalisten des Magazins Forbes das Credo der Stadt. Auch wenn Mayor Berry im März zurücktreten musste, weil sie gemeinsam mit ihrem Geliebten und Personenschützer 10 000 Dollar veruntreut hatte, so bleibt die Botschaft auch unter ihrem Nachfolger klar: Nashville begrüßt die Vielfalt.

 

Vielfalt als Wachstumsmotor

Das „Wir sind auch pro Wirtschaft“ der Ex-Bürgermeisterin hat auch eine direkte Verbindung zum Thema Vielfalt. Im Jahr 2015 veröffentlichte die Handelskammer von Nashville im Auftrag von Welcoming America eine Studie über den wirtschaftlichen Beitrag von Nashvilles Migranten. Das Ergebnis war eindeutig: Der Beitrag von Migrantinnen und Migranten zu Innovationen, internationalem Handel, ausländischen Direktinvestitionen, Rekrutierung und globaler Reichweite wird von den Befragten sehr positiv bewertet. Diese unterstreichen die Bedeutung von Zuwanderung für die Lebensqualität und Wirtschaftskraft der Region. „Nashvilles Bemühungen, eine wachsende Einwandererpopulation willkommen zu heißen, hat über alle Branchen hinweg zu spürbaren wirtschaftlichen Gewinnen geführt“, so die Studie.

Dabei ist die Region ökonomisch übrigens längst von den vielen Hochschulen und der Gesundheitsindustrie geprägt. Die Country-Musik hat allenfalls noch kulturelle und touristische Strahlkraft. Und so müsste Country-Star Tim McGraw eine seiner bekanntesten Zeilen eigentlich über die neuen Einwanderer singen, und nicht über die alten Heroen der lokalen Musikszene: „Nashville wouldn’t be Nashville without you.“