Englisch als zweite Amtssprache?

Der deutschen Wirtschaft fehlen Fachkräfte. Deshalb werben mehrere Parteien dafür, die Einwanderung für Fachkräfte aus dem Ausland zu erleichtern. Die FDP möchte nun Englisch als zweite Verwaltungssprache in Deutschland einführen. Sie meint, das könnte den Zuzug ausländischer Fachkräfte befördern. Die Idee, dass in deutschen Behörden auch eine Verständigung auf Englisch möglich sein sollte, ist grundsätzlich gut. Aber die Einführung von Englisch als zweite Amtssprache ist nicht zielführend – Aufwand und Nutzen würden in keinem guten Verhältnis stehen.

Die Amtssprache ist die Sprache, in der die staatlichen Stellen untereinander und mit den Bürger:innen offiziell kommunizieren. Die Einführung von Englisch als offizieller zweiter Verwaltungssprache könnte bedeuten, dass sämtliche Gesetze, Verordnungen, Dokumente, Formulare, Anträge usw. auch auf Englisch vorliegen müssten und dass z.B. auch Gerichtsverhandlungen in englischer Sprache ermöglicht werden müssten. Ein erheblicher Teil der staatlichen Angestellten müsste in der Lage sein, auf hohem Niveau mündlich und schriftlich auf Englisch zu kommunizieren. Das ist aber unrealistisch, weil Englisch für die allermeisten Deutschen nicht zweite Muttersprache ist und nur sehr wenige in ihrer Ausbildung so gut Englisch lernen, wie es für die Beherrschung als zweite Amtssprache nötig wäre.

Der Fokus auf Englisch allein ist zu eng

Manche Staaten haben mehrere Amtssprachen, z.B. die Schweiz: Hier gelten auf Bundesebene Deutsch, Französisch und Italienisch sowie teils auch Rätoromanisch als offizielle Verwaltungssprachen. Das hat den historischen Hintergrund, dass auf dem Gebiet der Schweiz schon lange Bevölkerungsgruppen leben, für die eine dieser Sprachen ihre Muttersprache ist. In Deutschland hingegen gibt es keine größere Bevölkerungsgruppe, für die Englisch ihre Muttersprache ist. Das Gleiche gilt für einen großen Teil der ausländischen Fachkräfte, die nach Deutschland einwandern: Viele kommen z.B. aus osteuropäischen oder asiatischen Ländern. Des Weiteren gelangen auch immer wieder Menschen als Geflüchtete nach Deutschland, in den letzten Jahren v.a. aus Syrien, Afghanistan und zuletzt aus der Ukraine. Daher ist es sinnvoll, wenn sich die Verwaltungsmitarbeiter:innen nicht nur auf Deutsch und Englisch, sondern auch in anderen Sprachen verständigen können. Um Barrieren im Verwaltungsalltag effektiv abzubauen, sollte also die Mehrsprachigkeit beim Personal gestärkt werden. Der Fokus auf Englisch allein ist zu eng.

Sprachkenntnisse als Schlüsselkompetenz für die Verwaltungslaufbahn

Um die Mehrsprachigkeit in der Verwaltung zu fördern, könnte man die Beherrschung einer zweiten Sprache öfter zum Kriterium bei Stellenausschreibungen machen. Das wäre auch eine große Chance für Menschen mit Migrationshintergrund, die eine zweite Muttersprache neben Deutsch haben. Sie sind im öffentlichen Dienst noch immer unterrepräsentiert und könnten dann mir ihrer doppelten Sprachkompetenz im Bewerbungsverfahren punkten. Der Erwerb von Sprachkompetenzen sollte aber auch ein fester Bestandteil der Ausbildung von Verwaltungsangestellten sein. Idealerweise gibt es so bald in jeder Dienststelle Personal, das ein breites Spektrum an Sprachen abdeckt und auf unterschiedliche Bedarfe reagieren kann.

Mehrsprachigkeit ermöglicht Flexibilität

Dieser pragmatische Ansatz ist nicht nur schneller umzusetzen und zielführender als die Einführung von Englisch als zweiter Amtssprache, sondern auch dynamischer: Durch eine auf Mehrsprachigkeit angelegte Ausbildungs- und Einstellungspraxis kann flexibler auf aktuelle Bedarfe und regionale Besonderheiten reagiert werden. Zurzeit sind laut dem Deutschen Beamtenbund in der Praxis Arabisch, Farsi und Französisch besonders gefragt. Das kann aber je nach Region unterschiedlich sein: An manchen Orten in Deutschland könnte z.B. Türkisch oder Russisch relevanter sein. Außerdem kann sich der Bedarf auch immer wieder ändern, wenn es etwa zu neuen Fluchtbewegungen kommt oder wenn mit bestimmten Ländern eine stärkere Zusammenarbeit bei der Fachkräftemigration entsteht.

Deutsche Verwaltungssprache: bitte einfacher

Zu guter Letzt sollte neben der Förderung der Mehrsprachigkeit auch die deutsche Verwaltungssprache vereinfacht werden. Davon würden alle Einwohner:innen profitieren, denn selbst Muttersprachler:innen haben oft Schwierigkeiten, das „Amtsdeutsch“ in Formularen und Anträgen zu verstehen!