Wie hat die Corona-Krise das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen verändert?
In der Corona-Krise wurden viel Gewohntes auf den Prüfstand gestellt und auch verändert. Betrifft das auch das Engagement von Unternehmen? Dieser Frage geht der aktuelle „Monitor Unternehmensengagement“, eine Unternehmensbefragung initiiert vom Stifterverband und der Bertelsmann Stiftung, auf den Grund.
Bereits 2018 haben beide Organisationen in einer ersten Welle das gesellschaftliche Engagement der Wirtschaft in Deutschland untersucht. U.a. fragten wir: Für welche Themen engagieren sich Unternehmen? Wie sehen sie ihre Rolle in der Gesellschaft? Warum engagieren sich Unternehmen? Mit den Ergebnissen unserer Befragung ist es uns gelungen, ein umfassendes Bild zum gesellschaftlichen Engagement der Wirtschaft zeichnen. Es ist die Vergleichsgrundlage für unsere aktuelle Bewertung.
Die Corona-Krise hat die Gesellschaft in vielen Bereichen verändert, auch die Wirtschaft
In der Öffentlichkeit stand am Beginn der Krise vielfach ein Bild vom Unternehmen im Vordergrund, das mit staatlicher Hilfe gerettet werden musste. Aber auch das konnten wir sehen: Sprichwörtliches unternehmerisches Handeln an vielen Stellen hat aufkommende (Versorgungs-) Engpässe unbürokratisch überbrückt.
Unternehmen haben die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Pandemie aktiv mitgestaltet. Unternehmen wollten einen Beitrag leisten, um die Pandemie einzudämmen. Besonders zu Beginn der Corona-Krise haben sie in vielfältiger Art und Weise schnell reagiert und geholfen. Anfangs wurden Masken und Desinfektionsmittel produziert, auch wenn diese Produkte bisher nicht im Portfolio des Unternehmens vorkamen. Produktionslinien wurden, da wo es ging, umgestellt und unternehmerische Entscheidungsfreude kam dem oft langsam agierenden Verwaltungshandeln zuvor. Viele Beispiele dazu finden sich hier auf unserer Website.
Krisenfeste Verantwortungsbereitschaft
Aber wie sieht dieses Bild heute aus? Im Jahr 2020, inmitten der Corona-Pandemie, haben wir erneut Unternehmen mit den Fragen zu ihrer Rolle in der Gesellschaft und ihrem gesellschaftlichen Engagement konfrontiert. An zwei Zeitpunkten im März und November haben wir deutschlandweit Unternehmen befragt und die Ergebnisse mit der 2018er Befragung verglichen. Wir wollten wissen: Wie hat sich das Engagement von Unternehmen für die Gesellschaft verändert und wie ordnen sie aktuell ihre Rolle in der Gesellschaft ein?
Im November 2020 sagten 57% der Unternehmen, die sich an der Befragung beteiligten, dass sie eine Verantwortung haben, sich für die Gesellschaft zu engagieren. Im Jahr 2018 lag dieser Wert lediglich bei 46%. Mit der Corona-Pandemie hat das Engagement von Unternehmen eine neue Aufmerksamkeit bekommen und viele Unternehmen haben, so unsere Interpretation der Daten, ihre gesellschaftliche Rolle neu justiert.
Klassische Engagementformen auf dem Rückzug
Aber die Daten zeigen auch etwas anderes: einen Rückgang bei den klassischen Engagementformen, wie Geld-, Sach- und Zeitspenden. Hier rangiert das Engagement bis zu 17 % unter dem Niveau von 2018 bei der Frage, ob sich das Unternehmen auf die eine oder andere Weise in den erwähnten Formen regelmäßig engagiert hat.
Wie ist das erklärbar?
Wir stellen fest, dass viele Engagementfelder, für die bisher häufig gespendet wurde, im Jahr 2020 brachlagen. Es gibt kaum Sportveranstaltung, kaum Kulturveranstaltungen. Und will man es Unternehmen, insbesondere kleineren Unternehmen verdenken, wenn sie sich in Krisenzeiten auf sich selbst konzentrieren?
Nach innen gerichtetes Engagement
Auch wenn das Engagement nach außen, für Vereine und Organisationen, zurückgefahren wurde bzw. mangels Gelegenheiten ausblieb, engagieren sich viele Unternehmen nach innen für ihre Mitarbeiter:innen. Das Engagement für die eigenen Mitarbeiter:innen ist stabil und sogar leicht angestiegen. Homeoffice-Lösungen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und natürlich die Gesundheit der Mitarbeiter:innen waren und sind Themen, welche die Unternehmen beschäftigen. Im Bereich Gesundheit engagieren sich 2020 fast ein Viertel der Unternehmen. 2018 war es nicht einmal jedes fünfte.
Die qualitativen Befragungsdaten des Monitors lassen darauf schließen, dass die Unternehmen ihr Wirken nach innen durchaus als gesellschaftliches Engagement verstehen. Es herrscht in der Praxis, gerade bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen, ein breites Engagementverständnis. So berichten uns Unternehmensvertreter:innen, dass sie sich beispielsweise aktiv für die Gesundheit und den Schutz vor Ansteckung am Arbeitsplatz einsetzen. Ihre Beschäftigten sind im Fokus.
Beschäftigte bestätigen diesen positive Befund
In einer Beschäftigtenbefragung, die die Bertelsmann Stiftung ebenfalls im Jahr 2020 durchgeführt hat, wird dieses Bild bestätigt. 86 % der Arbeitnehmer:innen in der Privatwirtschaft sind auch in der Corona-Krise mit dem Verhalten ihres Arbeitgebers ihnen gegenüber zufrieden.
65 % der befragten Mitarbeiter:innen antworteten, dass ihr Arbeitgeber den Beschäftigten mit Kindern geholfen hat, während der Corona-Krise Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Fast alle Befragten sagten, dass in den Betrieben Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit getroffen wurden.
Traditionelle Zielgruppen des Engagements verlieren an Bedeutung
Der Indikator des Monitors Unternehmensengagement in diesem Kontext ist die Frage, an wen sich das gesellschaftliche Engagement des Unternehmens richtet.
Während Unternehmen vor der Krise noch zu 59 % Kinder und Jugendliche als Zielgruppe ihres Engagements sahen, waren es im November 2020 weniger als die Hälfte. Ähnlich verhält es sich bei den Gruppen der älteren Menschen und der Menschen mit Behinderungen.
Ist das Engagement von Unternehmen selbstlos?
Aber warum engagieren sich Unternehmen für die Gesellschaft und haben sich diese Beweggründe verändert? Ist es eher ein selbstloses Bedürfnis, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, oder stehen andere Auslöser im Vordergrund? Die Antwort geben uns die befragten Unternehmen und sie bewerten den Mehrwert ihres Engagements anders als vor der Pandemie:
Während vor der Corona-Pandemie 13 % der Unternehmen der Aussage zustimmten, ihr gesellschaftliches Engagement habe auch zum Ziel, ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu verbessern, stieg dieser Wert Ende März 2020 auf gut ein Fünftel und blieb auch im November 2020 stabil.
Immer mehr Unternehmen sehen den Mehrwert ihres Engagements auch darin, Beschäftigte stärker an das Unternehmen zu binden. Hier messen wir einen Anstieg von 15 % vor Corona auf rund ein Viertel der Unternehmen Ende März und im November 2020. Hatten vor der Corona-Pandemie 7% der Unternehmen angegeben, ihr gesellschaftliches Engagement ziele auch darauf ab, die Kompetenzen der Belegschaft zu fördern, teilten Ende März und im November 2020 jeweils ein Fünftel der Befragten diese Zielsetzung.
Und nach der Corona-Krise?
Es wird sich zeigen, ob diese Veränderungen im gesellschaftlichen Engagement von Unternehmen auch nach der Pandemie fortbestehen oder ob es zum Beispiel zu einem neuen Miteinander in den Unternehmen kommt. Möglicherweise werden Vereine und gemeinnützige Organisationen ihr Verhältnis zu Unternehmen als Unterstützer ihrer Arbeit auf ein anderes Niveau heben müssen, um auch zukünftig in den Genuss von Spenden zu kommen.
Fragt man die Beschäftigten, ist für viele von ihnen eine Zeit der Veränderung angebrochen.
Die Hälfte der Beschäftigten in der bereits oben zitierten Befragung sagt, dass sie in der Pandemie eine Chance sieht: Eine Chance, dass es nach Corona zu Verbesserungen in den Betrieben kommt.
Warten wir es ab!