Das Netzwerk rückt zusammen – Ein Bericht über den Deutsch-Israelischen Young Leaders Austausch in der Corona Krise

Während in diesen Tagen Menschen auf der ganzen Welt versuchen, möglichst große physische Distanz zu wahren, rücken zugleich in der digitalen Welt viele enger zusammen. Diese Erfahrung haben auch die Mitglieder des Young Leaders Netzwerks in Deutschland und Israel miteinander gemacht. Als Praktikant konnte ich aus dem Homeoffice an ihrer Diskussion teilnehmen.

Seit 20 Jahren engagiert sich die Bertelsmann-Stiftung mit dem Deutsch-Israelischen Young Leaders Austausch für die Stärkung der Beziehungen zwischen beiden Ländern. Junge und ambitionierte Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur bilden ein Netzwerk aus mittlerweile weit über 400 Alumni. Jährlich findet ein Austausch statt. Dabei lernen sich die Teilnehmer in zwei einwöchigen Begegnungen – in Deutschland und in Israel – intensiv kennen. Vorträge, Workshops und Exkursionen animieren zu kontroversen Diskussionen und öffnen neue Perspektiven. Über die Jahre haben sich daraus enge berufliche wie private Kontakte entwickelt, die bei regelmäßigen Alumni-Treffen erneuert und intensiviert werden.

Mit dem Aufkommen der aktuellen Krise stellte sich die Frage, wie dieses Netzwerk auch unter den geltenden Einschränkungen gestärkt und weiter als Impulsgeber für die Teilnehmer und für die Gesellschaft sein kann.

Corona verhindert Kontakte und ermöglicht andere

Der diesjährige Exchange fiel wie so vieles den Eindämmungsmaßnahmen im Zuge der Corona-Krise zum Opfer. Zahlreiche vielversprechende Bewerbungen waren bereits eingetroffen, als das Corona-Virus die globalisierte Welt in eine Schockstarre zwang. Nach und nach wurde alles heruntergefahren und ‚verschoben‘ wurde bei vielen Vorhaben schnell zu ‚aufgehoben‘. Bald wurde uns aber auch klar, dass der Lockdown nicht nur Kontakte verhindert, sondern auch eine Gelegenheit sein kann, um Beziehungen wieder verstärkt zu pflegen. Dies gilt umso mehr für solche Netzwerke, deren Teilnehmer weit verstreut in verschiedenen Ländern sitzen.

Das Alumni-Netzwerk des Deutsch-Israelischen Austauschs eignet sich besonders gut für digitale Vernetzung

Schnell stellte sich heraus, dass wenige Netzwerke geeigneter wären als unsere Gruppe von „Young Leaders“, die sich v.a. in Deutschland und Israel – gut 3000 km, aber nur eine Stunde Zeitverschiebung voneinander entfernt – in ihren Wohnungen, Zimmern oder Häusern im Homeoffice befanden. So versammelten sich rund 60 Alumni zu einem digitalen Wiedersehen vor ihren Rechnern. Die Freude war groß, in der außergewöhnlichen Lage vertraute Gesichter zu sehen, aber auch neue Kontakte knüpfen und Bekanntschaften schließen zu können. Stephan Vopel, Initiator und Vordenker des Programms, bemerkte beim ersten Anblick der vielen Köpfe beeindruckt, es sei das erste Mal, dass er in die Arbeits- und Wohnzimmer so vieler Alumni schauen könne. Eine physische Begegnung mag persönlicher sein, aber der digitale Blick auf eine Couch-Landschaft oder auf das imposante Bücherregal hinter den Teilnehmerköpfen sollte nicht unterschätzt werden!

Zum ersten Treffen gaben vier Alumni in kurzen Impulsvorträgen Einblicke in die jeweilige Situation in Israel, Deutschland, den USA und China. Die unterschiedlichen Perspektiven ermöglichten tiefe Einblicke, die über das hinaus gingen, was den Medien üblicherweise zu entnehmen ist. In einem zweiten Treffen konnte dann in kleineren parallelen Gruppen vertieft inhaltlich diskutiert und Persönliches ausgetauscht werden. Es war spannend, an der Diskussion teilnehmen und in einer Kleingruppe einige persönliche Bekanntschaften machen zu können.

Das Netzwerk rückt in der Krise enger zusammen

In der globalen Ausnahmesituation rückt das Netzwerk damit noch enger zusammen. Die Bereitschaft zum regelmäßigen Austausch zeigt, dass die engen und vertrauensvollen Kontakte zwischen den Teilnehmern, von denen mittlerweile viele Entscheidungsträger in verantwortungsvollen Positionen sind, auch in der Krise als wertvoll empfunden und genutzt werden.

Hier zeigt sich die besondere Stärke des Netzwerkes, voneinander zu lernen, indem die Teilnehmer auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Umgang mit den jeweiligen Herausforderungen blicken. Sei es im Bereich von Innovation und Startups, sei es in Fragen politischer Initiativen, der Neubewertung der Relevanz und Verantwortung journalistischer Arbeit oder der Diskussion der Bedeutung der Kultur in einer Krise, deren Ausmaß sich noch lange nicht abschätzen lässt. Die neu gewonnenen Perspektiven fließen in die tägliche Arbeit ein, neue Kontakte können für eigene Projekte zu Rate gezogen werden und helfen bei der Umsetzung beruflicher Aufgaben.

Wie können technische Lösungen helfen, Kooperationspotenziale zu realisieren?

Die neuartige Situation stellt uns aber auch vor die technische Herausforderung, vorhandenen Willen und Initiative so zu strukturieren und zu kanalisieren, dass sich das Potential zur Kooperation in unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern weiterhin entfalten kann. Diese Frage stellt sich nicht nur uns im Rahmen dieses Programmes, sie muss auch unsere Gesellschaften als ganze beschäftigen. Täglich werden in Deutschland wie in Israel Lösungen im Kleinen gefunden. Wie können hybride, also digitale und analoge Plattformen Kooperation im noch größeren Maßstab ermöglichen? Dafür erarbeiten wir derzeit Lösungsvorschläge, die vertrauensvolles und konstruktives Arbeiten über Grenzen hinweg möglich machen sollen.

Gegenseitige Unterstützung als neue Priorität der Deutsch-Israelischen Beziehungen in der Krise?

Der Grundgedanke des German Israeli Young Leaders Exchange, dass der intensive Austausch über die teils unterschiedlichen Wahrnehmungen von Herausforderungen die Gestaltung der Zukunft befördert, gewinnt somit in der Krise noch weiter an Bedeutung.