Erleichterte Einbürgerung nützt der Integration
In der aktuellen politischen Debatte um die geplante Erleichterung von Einbürgerung werden Befürchtungen laut, dies würde sich negativ auf die Integration auswirken. Belege für diese These sucht man jedoch vergebens. Im Gegenteil spricht sogar einiges dafür, dass Einbürgerung und Integration in einem positiven Zusammenhang zueinander stehen – was ein guter Grund ist, sie zu befördern.
Deutschland prescht nicht vor, sondern reiht sich ein
Die aktuellen Pläne der Ampel-Koalition sehen vor, Einbürgerungen künftig bereits nach fünf statt wie bisher erst nach acht Jahren zu ermöglichen. Bei besonderen Integrationsleistungen könnte eine Einbürgerung bereits nach drei Jahren erfolgen. Voraussetzungen für eine Einbürgerung werden auch weiterhin Sprachkenntnisse, Straffreiheit, die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts, das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie die im „Einbürgerungstest“ abgefragten Landeskenntnisse sein. Die Aufgabe einer bestehenden ausländischen Staatsbürgerschaft soll als Voraussetzung für die Einbürgerung in Deutschland hingegen entfallen. Das heißt, der Doppelpass soll grundsätzlich ermöglicht werden.
Der Blick auf andere Einwanderungsländer in Europa und Nordamerika zeigt, dass Deutschland mit der Reform nicht aus einer verbreiteten Einbürgerungspraxis ausbrechen, sondern sich im Gegenteil hier nun schließlich – mit einiger Verspätung – einreihen würde. Sowohl eine Frist von fünf Jahren bis zur Einbürgerung als auch die Akzeptanz von Mehrstaatigkeit sind vielerorts bereits gelebte Praxis. Auch in Deutschland erfolgen im Übrigen bereits mehr als die Hälfte aller jährlichen Einbürgerungen unter Hinnahme von Doppel- oder Mehrstaatigkeit, da die Aufgabe bestehender Staatsbürgerschaften aus vielfältigen Gründen teils erschwert oder unmöglich ist. Es kann also keine Rede davon sein, dass Deutschland mit der angedachten Reform nun auf dem Weg wäre, sich als kühner Außenseiter hervorzutun.
Deutscher Pass geht mit einer stärkeren Verbundenheit einher
Dass es sich lohnen kann, die Hürden von Einbürgerung zu senken, macht unsere Umfrage zum Zusammenwachsen in der Einwanderungsgesellschaft vom Mai dieses Jahres deutlich. Wir haben die Menschen nach ihrem Gefühl der Verbundenheit mit Deutschland gefragt. Es zeigt sich, dass hier kaum ein Unterschied besteht zwischen deutschen Befragten ohne Migrationshintergrund einerseits und Befragten mit Migrationshintergrund, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, andererseits: Von ersteren geben 80 Prozent an, sich stark oder eher mit Deutschland verbunden zu fühlen, bei letzteren sind es 77 Prozent (inkl. Mehrstaatler:innen). Die Befragten mit ausländischer Staatsangehörigkeit hingegen fallen mit 68 Prozent deutlich dahinter zurück.
Zur Erinnerung: Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist weiterhin an Voraussetzungen geknüpft (siehe oben), von einem „Verramschen“, wie mancher meint, kann keine Rede sein. Hingegen ist plausibel, dass die volle rechtliche Gleichstellung und die symbolische Inklusion, die mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft einhergeht, die positive Bindung an das Land stärkt und der weiteren Integration zuträglich ist.
Einbürgerung erleichtert Teilhabe an Arbeit, Wohnen und Bildung – und nützt somit der Integration
Beim Blick auf den Arbeitsmarkt ist der positive Integrationseffekt von Einbürgerung offensichtlich, wie Migrations- und Arbeitmarktexperte Herbert Brücker jüngst im Spiegel kommentierte: „Wer eingebürgert ist, also den deutschen Pass besitzt, integriert sich schneller und leichter in den Arbeitsmarkt. Es ist ein klarer Befund der empirischen Forschung, dass es hier einen kausalen Effekt gibt. Das liegt zum Beispiel daran, dass die Staatsbürgerschaft rechtliche Stabilität schafft, daher auch für Arbeitgeber bei Einstellungen eine Rolle spielt.“
Diesen Befund bestätigen auch die Ergebnisse unserer Umfrage zum Zusammenwachsen in der Einwanderungsgesellschaft: Befragt nach ihren Teilhabechancen am Arbeitsmarkt geben Deutsche mit Migrationshintergrund (57 Prozent) seltener an als Ausländer:innen (63 Prozent), dass sie es ihrem Empfinden nach schwerer haben als die meisten anderen Menschen, eine geeignete Arbeitsstelle zu finden. Ähnlich fallen die jeweiligen Werte bei der Teilhabe an Wohnen (64 Prozent vs. 69 Prozent) und Bildung (54 Prozent vs. 64 Prozent) aus.
Die bessere Teilhabe, die sich durch Einbürgerung ergibt, nützt der Integration, da sie einer sozialen Segregation aufgrund schlechterer Arbeits-, Wohnungs- und Bildungschancen entgegenwirkt.
Einbürgerung ist Meilenstein, aber nicht Endpunkt
Gleichwohl zeigt unsere Befragung auch, dass Deutsche mit Migrationshintergrund durchweg öfter als Deutsche ohne Migrationshintergrund das Gefühl haben, es bei der Teilhabe an Arbeit (57 Prozent vs. 48 Prozent), Wohnen (64 Prozent vs. 53 Prozent) und Bildung (54 Prozent vs. 46 Prozent) schwerer zu haben als die meisten anderen Menschen. Das deutet darauf hin, dass Einbürgerung für viele Menschen zwar rechtlich, aber nicht unbedingt immer faktisch eine volle Gleichstellung mit sich bringt. Das heißt, die Einbürgerung stellt einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu gleicher Anerkennung und Teilhabe dar, aber sie ist nicht der Endpunkt.
Die Ursachen für weiter bestehende Teilhabeunterschiede müssen erforscht und bekämpft werden, allen voran die noch immer verbreitete Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Religion oder ethnischer Herkunft. Denn nur wenn das Inklusionsversprechen, das mit der Einbürgerung einhergeht, auch faktisch eingelöst wird, kann vollständige Integration im Sinne gleicher Zugehörigkeit, Teilhabe und Verbundenheit erreicht werden.