Serie über Zusammenhalt in Zeiten der Krise | Teil 5: Vertrauen in Institutionen

Über die Serie: Das Projekt „Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt“ untersucht seit 2012, wie es um das gesellschaftliche Miteinander in Deutschland bestellt ist. Grundlage ist ein Modell mit neun Dimensionen: Soziale Netze, Vertrauen, Akzeptanz von Diversität, Identifikation, Institutionenvertrauen, Gerechtigkeitsempfinden, Solidarität und Hilfsbereitschaft, Anerkennung sozialer Regeln und gesellschaftliche Teilhabe. In jedem Teil dieser Serie wird untersucht, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf jeweils eine der Dimensionen von Zusammenhalt hat. In diesem Beitrag fragen unsere Kollegen aus dem Programm „Zukunft der Demokratie“, wie sich die Corona-Krise auf das Vertrauen in Staat und Regierung auswirkt.

 

“There is no glory in prevention”?

Gleich zu Beginn der Corona-Krise hieß es von Seiten vieler Virologen an die Politik und Regierung adressiert: „There is no glory in prevention“. Mit dieser Vorwarnung meinten die Experten, dass kein Dank für erfolgreiche Prävention und Pandemievermeidung erwartet werden könne. Im Gegenteil: Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen einer erfolgreichen Pandemiebekämpfung bleiben. Das Bedrohungsgefühl aber verschwindet und die Erinnerung an die Gefahr verblasst. Die Stimmung kippt dann, und die Schmerzen der Krisenbekämpfung dominieren die Schlussbilanz des Krisenmanagements. So wurde es vielfach prognostiziert. Und so kann es auch noch immer kommen.

Bisher ist der Vertrauensaufbau während der Coronapandemie in Deutschland aber gut gelungen. Das zeigen die Ergebnisse des COVID-19 Trackers von YouGov: Lag die Zufriedenheit mit der Art und Weise, wie die Regierung in Deutschland mit der Pandemie umgeht, Mitte März bei soliden 51 Prozent, so hat es die Bundesregierung geschafft, diese Zufriedenheit innerhalb von vier Wochen auf 72 Prozent Zustimmung zu steigern. Dieser Vertrauensgewinn in die Arbeit der Bundesregierung konnte bis zum aktuellen Zeitpunkt auch gehalten werden. Stand Ende Juni liegt die Zufriedenheit mit den Maßnahmen der Pandemiebekämpfung weiterhin bei 69 Prozent. Das positive Ergebnis stützt auch der ARD-DeutschlandTrend, wo Anfang Juli 63 Prozent der Befragten mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden waren.

Die guten Vertrauenswerte der Bundesregierung in der Krise zeigen sich bisher relativ stabil.

Das bedeutet: Nicht nur in Phase 1 der Krise, wo es primär um die Einschränkung des öffentlichen Lebens zur pandemischen Eindämmung ging, sondern auch in Phase 2, wo die vorsichtige Lockerung der Schutzmaßnahmen im Vordergrund steht, genießt die Bundesregierung aktuell hohe Zufriedenheitswerte in der Bevölkerung. Ihr scheint bisher der schwierige Spagat zwischen pandemischer Eindämmung und Rückkehr zum öffentlichen Leben gelungen zu sein. Es bleibt aber ungewiss, wie sich die Vertrauenswerte im weiteren Verlauf entwickeln werden.

Auch wenn die goldene Regel von Krisen als „Stunde der Exekutive“ in Deutschland gerade Anwendung zu finden scheint, zeigt der internationale Vergleich des COVID-19 Trackers, dass es sich hierbei keinesfalls um einen Automatismus handelt. Das sieht man sehr gut am Beispiel von Frankreich, Großbritannien und den USA. Alle drei Länder scheinen, trotz anfänglicher positiver Entwicklung, ihr gewonnenes Krisenvertrauen schnell wieder verspielt zu haben. Stand Ende Juni sind in den USA und Frankreich nicht mal vier von zehn Bürgern mit der Regierungsarbeit zufrieden. Und auch in Großbritannien geben nicht mal die Hälfte der Befragten an, mit dem gegenwärtigen Regierungskurs zufrieden zu sein.

Die Akzeptanz der getroffenen Coronamaßnahmen kann schnell wieder kippen.

Was Deutschland also in den letzten Monaten an Vertrauen gewonnen hat, scheint in anderen Ländern verloren gegangen zu sein. Gute Zufriedenheitswerte der Regierung in Krisenzeiten sind alles andere als selbstverständlich. Gewonnenes Vertrauen kann auch schnell wieder verspielt werden. Eine klare Kommunikation und ein ehrlicher Umgang mit der Coronapandemie und seinen wirtschaftlichen und sozialen Folgen sowie ein immerwährendes Reflektieren der getroffenen Entscheidungen sind vermutlich unerlässlich für erfolgreiches Regierungshandeln in Zeiten einer Pandemie. Auch wenn Deutschland bisher gut dasteht, kann die Akzeptanz der getroffenen Coronamaßnahmen ebenso schnell wieder kippen.

Die YouGov-Zahlen decken sich mit den Ergebnissen unseres EINWURFS „Rückkehr des Vertrauens?“. Auf Basis einer Allensbach-Umfrage konnten wir zeigen, dass Regierung und Bevölkerung die erste Phase der Pandemiebekämpfung gemeinsam bewältigt haben: Ende April hielten mehr als zwei Drittel aller Menschen in Deutschland den Staat für stark und handlungsfähig. Knapp die Hälfte der Befragten waren der Meinung, dass unsere Regierung „stark genug“ im Angesicht der Krise sei und nur noch etwa ein Viertel der Deutschen empfand das politische System als Schwäche. Die gemessenen Vertrauenswerte waren so hoch wie schon lange nicht mehr. Nachdem noch Ende 2019 von einer „Erosion des Vertrauens“ die Rede war, hat sich die Stimmungslage der Bevölkerung während der ersten Phase der Krise vollständig gedreht.

Verbesserte Vertrauenswerte sind noch kein Blankocheck für die Zukunft.

Auch wenn derzeit aus Sicht der Bürger ein positives Krisenresümee mit Blick auf Staat und Regierung gezogen werden kann, sind verbesserte Vertrauenswerte noch kein Blankocheck für die Zukunft. Aber die Stimmungslagen, die sie abbilden, sind politisch wichtig: Sie beeinflussen politische Handlungsspielräume und Wirkungsmöglichkeiten. Als eine Determinante des öffentlichen Klimas liefern sie wichtige Hinweise und Anhaltspunkte für die Gestaltung und Kommunikation von Politik und Regierungshandeln – auch und gerade in Krisenzeiten. Deshalb erlaubt die Rückkehr des Regierungsvertrauens bisher zwar eine sehr positive Zwischenbilanz der Pandemiebekämpfung. Ein Ruhekissen für die Zukunft ist sie aber nicht.